17
Nov
2013

man sollte auch verzichten können ...

am 17. November 1934 stirbt Hans Bötticher alias Joachim Ringelnatz. (ein durchaus weiser mann)

Die Ameisen

In Hamburg lebten zwei Ameisen,
Die wollten nach Australien reisen.
Bei Altona auf der Chaussee
Da taten ihnen die Beine weh,
Und da verzichteten sie weise
Denn auf den letzten Teil der Reise.

(So will man oft und kann doch nicht
Und leistet dann recht gern Verzicht.)


literaturhinweis : https://bubi40.twoday.net/stories/timbuktu-oder-stumpfsinn-stumpfsinn-du-mein-vergnuegen-stumpfsinn-stum/
Shhhhh - 17. Nov, 19:51

Ich wollte das schon immer einmal posten, mein absolutes Lieblingsgedicht von ihm. Da steckt eine Dynamik drin, die haut mich jedesmal aufs Neue um:

Das Kartenspiel

Vier Männer zogen sich zurück,
Schlossen sich ein, und drei
Von ihnen versuchten ihr Glück,
Spielten Karten.
Draußen im Garten
Blühte der Mai.

Im schwülen Zimmer saßen die
Männer bei ihren Karten.
Ihre Weiber ließen sie
Draußen weinen und warten.

Und spielten Spiel um Spiel zu dritt,
Und jeder schwitzte.
Der vierte Mann sah zu, kibit –
Kibitzte.

Geld hin – Geld her – Geld her – Geld hin –
Verlust – Gewinn –
Nach Kartengemisch.
Es wurde gebucht,
Gereizt und geflucht.
Man schlug auf den Tisch.
Man witzelte seicht.
Hätte Pikdame statt Karozehn
Den Buben genommen,
Dann wäre vielleicht
Alles anders gekommen.

Und noch einmal und noch und noch,
Verbissen und besessen. –
Ein Lüftchen kam durchs Schlüsselloch,
Roch nach verbranntem Essen.

Der König fiel.
Das letzte Spiel,
Das allerletzte Spiel begann.
Und wieder stach die Karozehn.
Der vierte Mann,
Der nichts getan als zugesehn,
Gewann.

Vier gähnende Männer gingen
Hinaus ins Morgengraun.
Draußen hingen
Am Gartenzaun
Vier vertrocknete Fraun.

Bubi40 - 18. Nov, 09:49

ein reales problem für den echten "deutschen mann" ... ;-)
trotzdem, ein zünftiger skat ist schon eine gute gabe des herrn ... ;-)
Teresa HzW - 18. Nov, 12:14

Lieber Josef,
die beiden Ameisen konnten halt nicht von folgendem Anblick lassen,
den es so nur in der schönen Hansestadt,
an der Außenalster, gibt :-))

Sie haben das mächtige Meer unterm Bauch
Und über sich Wolken und Sterne.
Sie lassen sich fahren vom himmlischen Hauch
mit Herrenblick in die Ferne.

Sie schaukeln kokett in des Schicksal`s Hand
Wie trunkene Schmetterlinge.
Aber sie tragen von Land zu Land
Fürsorglich wertvolle Dinge.

Wie das im Wind liegt und sich wiegt,
Tauwebüberspannt durch die Wogen,
Da ist eine Kunst, die friedlich siegt,
Und ihr Fleiß ist nicht verlogen.

Es rauscht wie Freiheit.
Es riecht wie Welt. -
Natur gewordene Planken
Sind Segelschiffe. -
Ihr Anblick erhellt
Und
weitet unsre Gedanken.


Joachim Ringelnatz, Segelschiffe*


:-))

Bubi40 - 19. Nov, 08:43

ich kenne eigentlich keinen, den der anblick eines windjammers kalt ließe. als sie noch die meere bevölkerten gab es möglicherweise noch eine "christliche seefahrt", zu der ja auch ihr widerpart - der pirat - gehört ...
piraten haben wir noch heute ...
Teresa HzW - 18. Nov, 12:25

Wiewohl zum 79. Todestag eigentlich folgendes humoristische Gedicht typischer für ihn ist, weil es der von ihm heiß und innig geliebten Kunstfigur "Kuttel Daddeldu" gilt, die Joachim Ringelnatz zu seiner Zeit bekannt machte...

Das Schiff war schon im Hafen leck.
Man besserte an dem Schaden.
Das Schiff hatte Fässer geladen
Und Passagiere im Zwischendeck.

Mittags stieg eine Negerin
In das Matrosenlogis.
Sie wäre Kartenlegerin,
Bedeutet sie.

"Two shillings" - oder ein Kleidungsstück,
Sie zeigt auf wollene Sachen.
So eine weiss manchmal, wie man sein Glück
Kann machen.

Sie reden voreinander dumm,
Gaben der Alten zu saufen,
Drückten ihr lachend am Busen herum
Und liessen sie dann laufen.

Nachts hockte die alte, schwarze Kuh
An Deck zwischen Fässern und Tauen.
Vor ihr lag Kuttel Daddeldu
Dienstmüde und dachte an Frauen.

Da legte die Kartenlegerin
Die Karten, die ihn betrafen,
An Deck und murmelte vor sich hin.
Kuttel war eingeschlafen.

Sie murmelte Worte in den Wind.
Das Schiff fing an zu rollen.
Das Schiff und die Menschen darauf sind
Verschollen.


Joachim Ringelnatz, Die Kartenlegerin*

:-))

Teresa HzW - 18. Nov, 12:35

* P.S.

Ringelnatz` sches Seemanns-Garn ausgewählt,
weil Dein gestriger Blog-Geehrte ja vor 100 Jahren [als er noch quicklebendig] als Matrose zur See fuhr, bis ihm im Jahre 1903 wegen mangelnder Se[e]hschärfe die Ausübung dieses Berufs von Amts wegen untersagt wurde.
Welch` Glück [aus heutiger Sicht!] - sonst wär` er nie ein solch`begnadeter und uns heute noch erheiternder Schriftsteller und Karikaturist geworden!

Schön, dass Du an ihn erinnerst, lieber Josef,
was mich dazu anhielt, heute Morgen mal wieder in der Biografie des alten Meisters nachzulesen und meine Erkenntnis hier mit Dir und Deinen anderen Blogbesucher[inne]n zu teilen.

:-))

Bubi40 - 19. Nov, 09:03

"Welch` Glück [aus heutiger Sicht!]"

so ist´s - es gäbe kein ersatz
für unsern lieben Ringelnatz
so könn´wir durch sein augenleiden
fröhlich an seinem werk uns weiden
Britt M. - 18. Nov, 13:27

Die Beiden hätten man mit mir eine Runde durch den Stadtpark joggen sollen. Nach so einem Training wären auch zwei Ameisen weiter als bis nach Altona gekommen ... ;-)

Bubi40 - 19. Nov, 09:05

so ist es halt in dieser welt ... zu hohe ziele führen oft zu ernüchternden ergebnissen ... ;-)
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